Ironman World Championship Hawaii - Die Erfüllung eines Lebensziels
Swim
🏊♀️01:04:20
6:20 Uhr, meine Startgruppe, die W30-34, wird ins Wasser gelassen. Gerade als wir nach ca. 100m an der ersten Vorstartboje ankommen, fällt der Startschuss der Profidamen. Wer bisher noch nicht aufgeregt war (ich zähl da nicht dazu, ich hab vor Aufregung sogar fast die Nationalhymne nicht gehört 🙈), ist es spätestens jetzt. Nachdem auch die PC/HC Athleten losgeschickt wurden, strampeln wir Mädels an der Startboje. Vor uns kreiseln einige Surfboards. Plötzlich drehen sich diese parallel und PENG.
6:30 Uhr, es geht los. Und zwar mit ca 300m purem Gemetzel. Ein Ellenbogen hier, ein Tritt dort, dann ein Schlag auf die Brille. Ich stecke ordentlich ein und teile aber vermutlich unabsichtlich auch genauso aus. Das Salzwasser schäumt. Ich seh eigentlich nur weißen Schaum und Arme um mich rum.
Dann kann ich mich aber freischwimmen und finde eine super 5er Gruppe. Wir bleiben die ganze Strecke zusammen. Der Weg raus läuft entspannt, zurück machen uns einige Wellen das Leben deutlich schwerer.
Dann höre ich den Applaus am Pier, was für ein Gefühl. Ich steige aus dem Wasser und staune beim Blick auf die Uhr nicht schlecht. 01:04 "Sau geil Tanja", sag ich mir! Hawaii ist zwar eine der schönsten Schwimmstrecken, aber nicht gerade für Bestzeiten bekannt und bei den Bedingungen am Do noch weniger. "10min länger als sonst", hatten mir vorher erfahrene Hawaii-Starter gesagt. Ich laufe mit einem breiten Grinsen ins Wechselzelt.
Bike
🚴♀️ 05:37
Voll motiviert vom Schwimmen gab es an der Palani noch ein kurzes Winken an die Supporter, dann ging es schon bald auf die elend lange Gerade des Queen K. Am Anstieg hoch zum Hwy schossen viele förmlich an mir vorbei...und ich fuhr schon gut 30 W "drüber"... "Das ist also dieses Hawaii Pacing".
Am Hwy hieß es dann für 70km: klein machen, brav ans Pacing halten, gut Kühlen und Verpflegen. Die Verpflegungsstellen lagen aufgrund von Helfermangel weiter auseinander als sonst. Ich kam damit jedoch gut klar. An jeder griff ich mir 2 Wasserflaschen, eine zum kühlen, eine zum Trinken. Der Wind blies uns sauber entgegen. "Geil, Rückenwind am Rückweg" (ich sollte mich noch ordentlich täuschen).
Der Anstieg nach Hawi rauf, stand voll in der Sonne. Aber es lief. Nach der Wende ging es erstmal gut 25km bergab, tatsächlich mit Rückenwind. Hier zahlte sich aus, dass ich den Abschnitt vorher schon abgefahren war und trotz der Seitenböen komplett in Aeroposition bleiben konnte. Nach der Abfahrt ging es wieder auf den Hwy...der hoffnungsvoll erwartete Rückenwind kam nun plötzlich auch von vorne🙈 "Egal, trifft alle gleich".
Bis km 160 lief es super. Dann jedoch zwei Erlebnisse, die ich in 9 Jahren in keinem Rennen hatte: erst Rückenschmerzen, sodass ich die Aeroposition nur noch schwer halten konnte und dann bei km 177 ein Schleicher im Vorderrad.
Die Rückenschmerzen kann ich im Nachhinein ziemlich sicher Zyklusbeschwerden zuordnen...uncool, genau auf Hawaii! Aber so gesehen besser hier als in Hamburg...sonst wäre ich hier gar nicht am Start gestanden.
"3km...und noch nicht ganz platt...das fährst jetzt vorsichtig heim". Tatsächlich schaffte ich es irgendwie die 14% Abfahrt auf der Palani bis zur T2 mit Plattfuß. Schuhe am Rad ausziehen ließ ich dann aber doch besser mal bleiben😅
In T2 angekommen war ich zugegeben erstmal ein bissal mit mir selbst überfordert. Einerseits super glücklich über eine gute Radzeit, trotz der Bedingung und negativen Umstände. Andererseits mit immer noch andauernden, starken
Run
🏃♀️&🥾 04:33
Raus aus T2, wieder einigermaßen klar im Kopf und wie selbstverständlich anlaufen. "Mist", keine Chance...der Rücken tut weh und strahlt auf den Bauch aus. Na gut, dann erstmal ein Stück gehen, das geht nämlich problemlos. 9:00er Spazierpace...ich rechne hoch: "Na gut, im Zweifel geh ich halt jetzt 6,5 Std spazieren". Aufgeben ist keine Option, bis auf den Rücken ist ja alles prima und beim Gehen tuts kaum weh.
Ich werd natürlich reihenweise überholt. Aber: ich seh auch einige, denen es noch bescheidener geht. Am Streckenrand werde ich von meinen Supportern und Fremden angefeuert, als wäre ich gerade auf Rekordzeit unterwegs. Das motiviert ungemein. Ich versuche wieder anzulaufen. Geht einigermaßen. Ich laufe einfach nach Gefühl, das was der Körper spontan anschlägt. Irgendwann schaue ich dann doch auf die Uhr...5:00er Pace...joa, genau das wär normal auch der Plan gewesen. Nach 2km meldet sich allerdings wieder der Rücken. "Dann geh ma halt wieder a Stück". Dieses Spielchen treibe ich ab jetzt 42km lang. Ca 500m gehen, dann wieder 2km laufen. Ich versuche das so zu timen, dass ich an den Verpflegungsstellen meinen Gehpart habe, mich gut versorge und kühle (Eiswürfel vorne/hinten und unter die Cap) und etwas danach wieder anlaufe. Dieses Wechselspiel klappt zumindest gut.
Zugegeben, in so einem Tempo zieht sich ein Marathon in praller Nachmittagshitze ohne Schatten ganz schön. Aber egal. Ich versuchte ein paar andere Athleten, die ebenfalls gehen, zu motivieren, dass wir das schon packen.
Im Kopf rechne ich immer wieder hoch, wie viel Zeit mir noch bis zum Daylightfinish um 18:15 reicht...das hatte ich mir vorher als Minimalziel gesetzt. Bei km 25, mitten im Energy-Lab, merke ich: das geht sich locker aus. Ab da, kann ich meinen Geh-Lauf-Wandertag dann sogar ein bisschen genießen 😅
Oben am Highway, 4km vorm Ziel, in einer meiner Gehphasen, passiert dann etwas, was unseren Sport so besonders macht: Claudia Hennecken schließt auf mich auf und motiviert mich mitzulaufen. Gemeinsam laufen wir die letzten 4km ins Ziel und beschließen, diese besondere Finishline gemeinsam zu überqueren ❤
Finishline
🏁 11:25:36 & eines der letzten "You are an Ironman" von Mike Reilly
Wäre mehr drin gewesen? An einem guten Tag ganz bestimmt, an diesem Tag aber sicher nicht!
Bin ich enttäuscht? Ich glaub das Foto beantwortet die Frage ganz gut. Ganz im Gegenteil! Trotz meines, sportliche gesehen, schlechtesten Rennens ever, bin ich mega glücklich, zufrieden und stolz. Für mich bedeutet diese Finishline den Abschluss einer wunderschönen und äußerst erfolgreichen Triathlonsaison und die Erfüllung eines Lebenstraumes. Das Ganze gesund, glücklich, mit tollen Menschen und mit schon wieder ganz viel Lust und Motivation auf die nächste Saison. Was will man mehr!
See u at the next finishline ❤